Welches ist die dramatischste und spektakulärste Verzweiflungs-Massnahme eines grossen Trainers? Er ersetzt Leonardo Genoni während einer Playoff-Partie. Genau das hat Zugs Trainer während der 1. Halbfinal-Partie in Zürich in der 39. Minute getan. «Leonardo Genoni gibt niemals auf. Ich habe ihn ausgewechselt», sagt Dan Tangnes auf die Frage, ob Leonardo Genoni von sich aus den Platz im Tor verlassen habe. Mit diesem Wechsel hatte Zugs Trainer gehofft, dem Team noch einmal einen Impuls geben zu können. «Es war auch die Möglichkeit, Luca Hollenstein Spielpraxis zu geben.»
Aber wenn der Trainer einen Titanen wie Leonardo Genoni auswechseln muss, um seine Mannschaft aufzurütteln, dann ist das Ende nicht nahe. Dann ist das Ende schon da.
Nach dem 4:1 macht also Leonardo Genoni für den Rest der Partie Luca Hollenstein Platz. Zugs ewiger Nummer zwei, die nächste Saison in Davos hinter Sandro Aeschlimann seine Karriere als ewige Nummer zwei fortsetzen wird.
Zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Zug musste Leonardo Genoni in einer Playoff-Partie der Nummer zwei Platz machen. Mit der schwächsten für ihn je in den Playoffs erfassten Fangquote (76,47 Prozent). Er ist siebenfacher Meister und WM-Silberheld von 2018. Die letzten zwei Titel hat er mit Zug geholt. Also können wir sagen: Wenn Leonardo Genoni geht, dann lasset alle Hoffnungen fahren.
Aber er kommt natürlich wieder. Dan Tangnes sagt jedenfalls:
Möglicherweise war es also nur ein vorübergehender Sturz eines Titanen. Der Goaliewechsel ist die ganz grosse, schon fast hollywoodreife Nummer des Spiels. Die entscheidende Szene der Partie ist da längst vorbei. Sie spielt bereits nach 33 Minuten und 10 Sekunden. Der Stock von Zugs Verteidigungsminister Niklas Hansson fährt ins österliche Gehänge von Sven Andrighetto.
Ob absichtlich oder unabsichtlich ist regeltechnisch völlig unerheblich. Ein «Tiefschlag» zieht immer einen Restausschluss nach sich. Weil ein Spieler immer für seinen Stock verantwortlich ist. Der Entscheid der Schiedsrichter ist also richtig.
Was die Zuger allerdings zu Recht schon ein wenig ärgern dürfte: Der malträtierte ZSC-Stürmer beisst nicht etwa auf die Zähne, wie das sonst harte Männer in den Playoffs zu tun pflegen. Er signalisiert vielmehr schlau, geistesgegenwärtig und unübersehbar stechenden Schmerz im Unterleib. Das Spiel steht auf des Messers Schneide (1:1) und es wäre der denkbar ungünstigste Moment gewesen, den Schmerz zu erdulden, ohne eine Miene zu verziehen. Er wird sich schnell erholen und dann bei allen drei Powerplay-Treffern den Stock im Spiel haben (drei Assists). Allerdings muss er sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, den Neymar gemacht zu haben. Dan Tangnes wird nach dem Spiel sagen:
Die Schiedsrichter wissen sehr wohl um die entscheidungsschwere Bedeutung des Augenblickes und konsultieren gründlich die laufenden Bilder. Sie schicken Zugs wichtigsten Feldspieler (er hatte das 1:0 erzielt) erst nach eingehendem Video-Studium unter die Dusche und gewähren den ZSC Lions ein fünfminütiges Powerplay. Ohne den defensiven Architekten fällt Zugs Abwehr, die bis dahin standgehalten hatte (es steht 1:1), wie ein Kartenhaus zusammen.
Die ZSC Lions zelebrieren drei Powerplay-Tore in Serie, erhöhen auf 4:1 und provozieren Leonardo Genonis erste Playoff-Auswechslung im Dress der Zuger. Sie lassen dann zwar sechs Sekunden vor der zweiten Pause den zweiten Gegentreffer zu (4:2). Aber bereits in der 42. Minute ist nach dem 5:2 von Derek Grant das Lichterlöschen definitiv.
Die Zuger befinden sich nun zum ersten Mal seit ihrem letzten Titel von 2022 in den Playoffs in der Lage eines klaren, wenn nicht gar gefühlt krassen Aussenseiters. Das sieht auch Dan Tangnes so. «Wir haben inzwischen einige Spieler mit wenig Playoff-Erfahrung. Dieses Spiel kann eine heilsame Lehre sein.»
Die Zuger haben zwar den Gegner lange im Griff gehalten und in der besten Phase der ersten Hälfte wohl zehn Minuten lang keine Torchance zugelassen. Der Trainer sagt, das sei durchaus positiv und es gebe auch einiges, das ihm gefallen habe. Aber zufrieden ist er nicht. «Im Viertelfinal gegen Bern war der Leistungsabfall in keiner Partie so extrem.» Zugs Trainer bemängelt fehlende physische Präsenz und Entschlossenheit in den Zweikämpfen. Er hätte auch sagen können, dass seine Jungs zu weich waren.
Zug hat seit der Meisterfeier von 2022 erst eine einzige Playoff-Serie verloren. Im letzten Frühjahr den Halbfinal gegen den späteren Meister Servette (1:4). Obwohl Leonardo Genoni in jeder Partie mehr als 90 Prozent der Pucks gestoppt hatte. Wer orakelt, nun drohe wieder im Halbfinal das Ausscheiden gegen den späteren Meister, riskiert nicht viel.
Die ZSC Lions benötigten zwar nach ihrer zehntägigen Pause (sie hatten den Viertelfinal gegen Biel in vier Partien entschieden, die Zuger schafften es gegen den SCB erst im 7. Spiel) fast eine halbe Stunde, um im ersten Halbfinalspiel Betriebstemperatur zu erreichen. Sie waren sicherlich froh um das fatale Missgeschick von Niklas Hansson. Es war tatsächlich mehr ein Missgeschick als ein böses Foul.
Die Diskussionen, ob die ZSC Lions auch ohne die Strafe gegen Zugs schwedischen Verteidiger auch so klar gewonnen hätten und ob Leonardo Genoni dann nicht ausgewechselt worden wäre, ist eine müssige. Immerhin liefert sie Zugs flackerndem Flämmchen der Hoffnung noch ein wenig Sauerstoff und die Tapferen verweisen auf das Frühjahr 2022: Damals gewannen die Zuger den Final gegen die ZSC Lions nach einem 0:3-Rückstand noch 4:3. Da ist es nach der ersten Niederlage viel zu früh, schon die Hoffnung aufzugeben.
Aber die Zuger hatten 2022 im Quadrat die besseren Ausländer als heute und Leonardo Genoni ist nie ausgewechselt worden. Noch wichtiger: Die ZSC Lions sind schneller und schlauer, aber auch rauer und robuster und die Ausländer besser als vor zwei Jahren.
Die Geschichte wiederholt sich in der Regel auch im Hockey nicht. Wenn sie sich doch wiederholt, dann manchmal als Farce.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte